Hedwig Döbele zur Ausstellungseröffnung „Hans Theo Richter und Schüler - Eine Künstlergeneration in Dresden“ am 30.06.2018 in der Galerie Döbele GmbH, Pohlandstraße 19, 01309 Dresden

Liebe sehr verehrte Kunstfreunde,
ich begrüße Sie sehr herzlich zu unserer heutigen Eröffnung der Ausstellung Hans Theo Richter und Schüler in der Pohlandstraße in einer verkleinerten Kabinett-Form.
Vielen Dank für Ihr Kommen.

Bevor ich mit meinen Ausführungen beginne, muß ich Ihnen leider noch die traurige Mitteilung sagen, daß unsere liebe und hoch verehrte Herta Günther am 17. Juni von uns gegangen ist. Wir trauern sehr um sie - sie war ein wichtiger Bestandteil unserer Galeriearbeit seit 1985, seit wir die große Wanderausstellung Dresden „heute“ gezeigt haben. Seither war sie ständig in unserem Galerieprogramm präsent. Auch machten wir seither 3 Einzelausstellungen, zuletzt 2014 zu ihrem 80. Geburtstag hier in der Pohlandstraße. Damals stand sie hier am Tisch und sagte: hier feiere ich auch meinen 85. Geburtstag….

Unter dem Motto „Die Konsequenz der Zeichnung“ haben wir diese Ausstellung Hans Theo Richter und seinen Schülern Dieter Goltzsche, Herta Günther, Joachim John, Gerhard Kettner, Max Uhlig und Claus Weidensdorfer gewidmet.

Ich frage nun: ist eigentlich das Medium Zeichnung in der Kunst OUT? Wenn man um sich blickt, widmen sich junge Künstler in erster Linie der Malerei, der Fotographie und Prints und Bearbeitungen von Prints. In unserer digitalen Zeit muß alles schnell gehen, aus dem Augenblick, ins Augen springen oder sensationell sein.

Die Zeichnung hingegen hat eine andere Basis: Es ist die Linie, die Form und der Raum. Es wird eine gewisse Zeit benötigt, bis eine Zeichnung vollendet ist und in dieser Zeit finden Denk- und Findungsprozesse statt in Bezug auf Raum und Bildaussage. Es ist kein spontanes Produkt, sondern ein intellektuelles Ergebnis. Die Linien müssen stimmen, eine Korrektur durch Farbe ist nicht angesagt. Wir sollten uns der Faszination für die Zeichnung öffnen. Ich garantiere: eine gute Zeichnung ist nicht langweilig, sondern geheimnisvoll. Sie fordert zum Dialog heraus.

Hans Theo Richter, Schüler von Otto Dix, hatte sich ganz dem Medium Zeichnung verschrieben. Seine Zeichnungen beschäftigen sich mit humanen Themen, Beziehungen zwischen Mutter Kind und Generationen. Sie strömen Harmonie aus und zeigen das wahre Leben und man muß staunen, es ist berührend, obwohl die Zeichnungen nicht groß sind und nur schwarz-weiß. Wir stellten Hans Theo Richter zum ersten Mai auf der ART BASEL 1980 aus und führen ihn seither auch als Künstler der Galerie ständig im Programm. Wir zeigten seither mehrere Einzelausstellungen und vermittelten 1981 eine Ausstellung an die Städtische Galerie Albstadt. Das Werk ist mir somit vertraut, hatte aber seit einiger Zeit nichts mehr an der Wand aufgehängt. Ich muß gestehen, nachdem diese Reihe von nur 6 Zeichnungen hier an der Wand nun zu sehen waren, war ich erneut berührt und ergriffen von der Qualität und Ausstrahlung dieser Zeichnungen. Hans Theo Richter war ein großartiger Zeichner.

Er war aber nicht nur ein bedeutender Zeichner. Seine Rolle als Lehrer war maßgeblich. Werke einiger Schüler Richters sind in dieser Ausstellung zu sehen. In erster Linie wäre zu nennen Gerhard Kettner, er war auch Assistent bei Richter. Anfänglich war Kettner noch beeinflußt von Richter, aber nach einer gewissen Zeit fand er zu seinem eigenen Stil und seiner charaktistischen und unnachahmlichen Handschrift. Seine Bildnisse sind psychologisierend, in der Mimik des wiedergegebenen Personen läßt sich ihre Biographie ablesbar. Das Leonhardi-Museum wird zum Jahresende eine Retrospektive Kettner zeigen.

Von Dieter Goltzsche möchte ich gerne zwei Zitate wiedergeben, entnommen aus Dieter Goltzsche, Berlin 2006: „Aber zuletzt wird die Form selbst zum Erlebnis“ und „Wir zeichnen nicht ab, das Erlebnis hinter den Dingen ist es“. Hier bestätigt Goltzsche meine vorangegangenen Ausführungen zum Thema Zeichnung, nämlich, daß Zeichnen ein gewissen Können voraussetzt und schlußendlich für den Künstler eine spannende Herausforderung ist.

Herta Günther kam erst über die Radierung und Zeichnung zu den Pastell-Arbeiten und Ölbildern. Sie versteht es auf einmalige Weise Frauentypen aller Art im Bild wiederzugeben. Sie ging ihren ganz eigenen Weg. Ihre Werke erfreuen sich schon seit Jahrzehnten ungebrochen großer Beliebtheit - zu DDR-Zeiten und danach bis jetzt. Sie ist Mythos - nicht nur in Dresden. Die Verehrer ihrer Kunst sind im gesamten deutschsprachigen Raum anzutreffen.

Max Uhlig entschied sich bei seiner Bewerbung an der Hochschule Dresden für das Grafikstudium, um in die Klassen der damals lehrenden Hans Theo Richter und Max Schwimmer aufgenommen zu werden. Nach dem Grundstudium Fortsetzung des Studiums 3.- 5. Jahr bei Max Schwimmer. Als dieser stirbt, schreibt Max Uhlig dem Ministerium, man möge doch als dessen Nachfolger Hans Theo Richter berufen, das geschieht auch, und Uhlig wird Meisterschüler bei ihm in Berlin an der Deutschen Akademie der Künste. Richter und Schwimmer, so hat Uhlig einmal geäußert, waren für den jungen Künstler die einzigen Autoritäten, die glaubhaft waren - und es blieben. Diese Meinung äußerten mir gegenüber auch Dieter Goltzsche und Herta Günther.

Unter dem Titel „Befreiung der Linie und Geschlossenheit der Form“ führt Renate Wiehager in unserem Katalog Max Uhlig aus: „Das Werk Max Uhligs lebt - und das verbindet ihn mit Richter und Schwimmer - aus den subtilen und variablen Qualitäten der Linie. Max Uhlig befreit die Linie von jeder darstellenden Funktionalität…. und an anderer Stelle: Formfindung heißt für den Künstler, die Geschlossenheit und Monumentalität der Form mit dem Ungreifbaren energetischer Bewegungsimpulse zu verknüpfen….“ soweit Renate Wiehager in unserem 2011 herausgegebenen Katalog. Der Textbeitrag von ihr ist sehr gut. Wir hätten noch einige wenige Exemplare anzubieten.

Claus Weidensdorfer verbindet Inhalt und Form auf meisterliche Weise. Er ist aber auch andererseits mit en Bildwerken ein Erzähler par excellence.

Joachim John war Meisterschüler bei Hans Theo Richter an der Akademie der Künste in Ostberlin 1963-1065. Er ist vor einigen Wochen verstorben. Von ihm hängt eine Zeichnung in der Ausstellung.

Den Unterricht Hans Theo Richters besuchten noch weitere Künstler. Dies hier ist eine persönliche Auswahl. Aus Platzgründen war es uns auch nicht möglich, die Ausstellung noch zu erweitern. Das Thema wäre einer musealen Präsentation einmal vorbehalten. Insbesondere fehlt Werner Wittig, den wir auch schon seit 1980 vertreten. Über den Verlag der Kunst hatten wir schon in den 80er Jahren verschiedene Mappenwerke mit Holzrissen von Werner Wittig verlegt.
Diese Holzrisse und einige Mappenwerke haben wir natürlich auch im Galerie-Angebot und können wir auf Wunsch gerne zeigen.

Ich möchte an dieser Stelle auch darauf hinweisen, daß die Schule Hans Theo Richter sich mit sehr guten Künstlern fortsetzt. Diese Abfolge würde ich auch mal gerne ausstellen. Das könnte spannend werden. Das sind namentlich (um nur einige Namen als Beispiel zu nennen): Elke Hopfe als Schülerin bei Kettner und dann wieder Tanja Pohl und Lutz Bleidorn als Schüler/in von Elke Hopfe. Oder Ralf Kerbach: er war Schüler bei Kettner, von ihm stammen eine große Auswahl Schüler, die teilweise dann sehr avanciert und bekannt wurden, so u.a.: Eberhard Havekost, Thomas Scheibitz Thoralf Knobloch, u.a.m. Helge Leiberg war Schüler bei Kettner.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Betrachtung der ausgestellten Zeichnungen. Bei der Sicht auf die Zeichnungen dieser Ausstellung möchte ich Sie bitten, einmal revue passieren zu lassen, inwiefern die heutigen Schüler an der Hochschule in Dresden sich von der Richter Schule haben anregen lassen. Haben Sie gelernt von ihren vorangegangenen Meistern? Gehen sie ganz andere Wege?

Sie können auch gerne in die ausgelegte Literatur reinschauen oder etwas davon erwerben. 
Und nun wünsche ich Ihnen eine anregendes Betrachten der Bilder und eine vergnügliche Zeit heute in unserer Ausstellung.